Bahnenergie vollelektronisch
Siemens Mobility
17.03.2022 Bochum

"Bahnenergieversorgung – vollelektronisch!“ Bericht zum Vortrag am 10.03.2022 an der RUB Bochum

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VDE Rhein-Ruhr e.V.

Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe 2022 der VDE-Seniorengemeinschaft trafen sich 28 Mitglieder und Gäste zum Vortrag „Bahnenergieversorgung – vollelektronisch! Alte Aufgaben und neue Lösungen“ von Prof. Dr. Andreas Steimel am 10. 03. 2022 in der Ruhr-Universität Bochum.
Neben vielen Gemeinsamkeiten mit der allgemeinen Energieversorgung ist die Bahnenergieversorgung durch Besonderheiten geprägt, wie das Nebeneinander von Gleich- und Wechselstromsystemen, die nur zweipoligen Energiezufuhr, die bei dem für Fernbahnen bevorzugten Wechselstrom durch die mit doppelter Netzfrequenz pendelnden Leistung zu Sonderbelastungen und –maßnahmen sowohl bei den Fahrzeugantrieben wie bei den Anlagen der Bahnenergieversorgung führt, und die früher starken Verschränkung von Bahnenergiesystem und Fahrzeug-Antriebstechnik, die erst durch die Leistungselektronik überwunden wurde, womit Mehrsystem-Triebfahrzeuge wirtschaftlich wurden.
Die mit Rücksicht auf die Kommutierung der früher nur verfügbaren Wechselstrom-Kommutatormotoren eingeführte niedrige Sonderfrequenz von 50 Hz/3 = 16 2/3-Hz zwang in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Schweden/Norwegen zum Aufbau eigener, teurer Hochspannungs-Transportnetze. Diese bieten dafür aber hohe Vermaschung und damit hohe Versorgungsqualität und gute Rekuperationsfähigkeit. Bei direkt aus dem 50-Hz-Landesnetz gespeisten Bahnen – die ab den 50er Jahren durch den Einsatz der Leistungselektronik möglich wurden – müssen zur Begrenzung der Spannungsschieflast aufeinander folgende Speiseabschnitte aus verschiedenen Phasen(paaren) des Drehspannungsnetzes gespeist werden; die notwendigen Trennstellen behindern aber den Fahrbetrieb.
Seit etwa 25 Jahren werden keine Generatoren und Umformer für 16 2/3-Hz-Einphasenstrom mehr gebaut, sondern Umrichter (mit Leistungen bis zu 4 x 138 MW in Datteln) als Zwischenkreis- wie als Modulare Multilevel-Umrichter eingesetzt. Diese finden zunehmend auch in 50-Hz-Bahnnetzen Anwendung, wenn das Landesnetz schwach ist oder keine geeigneten Verknüpfungspunkte bietet und hohe „performance“ gefordert ist. Als neues Problemwurde das Phänomen der niederfrequenten Instabilität durch hohen Anteil von Fahrzeugen mit Umrichter-Antriebsausrüstung dargestellt.
Bei Gleichstromnetzen für U-Bahnen kommen neben dem klassischen B6- und B12-Diodengleichrichtern ebenfalls Umrichter zum Einsatz, die durch die Möglichkeit der Energierückspeisung erlauben, auf den Fahrzeugen auf sonst erforderliche Bremswiderstände zu verzichten. Dies ist bei unterirdischen Bahnen wegen des entfallenden Eintrags von Tunnelwärme von hoher, die Mehrkosten rechtfertigender Bedeutung.
In der anschließenden Diskussion wurde u. a. die Frage angesprochen, inwieweit Bahnnetze bei der hohen Umrichterdurchdringung zukünftig ganz auf spannungsstützende rotierende Genera toren mit hoher Kurzschlussleistung verzichten und die Bahnnetze hier als „Übungsfeld“ für die ENTSO-E-Verbundnetze dienen können, in denen der Anteil der Umrichter bei der Einspeisung von Wind- und Solarenergie und HGÜ-Stromtransport (Offshore,Nord-Süd) stark anwächst.

Andreas Steimel